Da Veit Krähmer im ersten Verhöre zu Heidelberg angegeben hatte: als er mit seinen Kameraden, nach dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, zurück in den Odenwald, in die Gegend von Strümfelsbronn und Eberbach, gekommen seye, seyen sie streitenden Bauern in die Hände gefallen, welche seinen Kameraden die Bündel, worin deren Antheile am Raub sich befunden, abgenommen hätten; so wurde sogleich ein reitender Bote nach Eberbach abgesendet, und die Verification dieser Angabe und die Uebersendung der den Räubern dort abgenommenen Bündel verlangt. Dieses hatte die Wirkung, daß schon des folgenden Tages von dem Amte Zwingenberg, wohin das Amt Eberbach die Requistion übersendet wurde, worin sich die, den vier Mitschuldigen des Veit Krähmer, welche den Streifern bei Strümpfelsbronn in die Hände gefallen waren, abgenommenen Sachen befanden. Sowohl Veit Krähmer, als Handelsmann Hanhart, erkannten sie für weitere Theile de Geraubten, und so wurden sie diesem Letztern und des verlebten Herrn Rieders Sohne zugestellt. Zugleich meldete das Amt Zwingenberg: es seye einer der vier Pursche, welchen die Bündel abgenommen wurden, eingefangen gewesen, habe aber nach einigen Tagen schon Gelegenheit gefunden, aus dem Gefängnisse zu entweichen.
Die Untersuchung wurde nun unausgesetzt gegen Veit Krähmer fortgesetzt. Er nannte wiederholt und beharrlich als seine Mitschuldigen:
den Hölzerlips, den Manne Friederich, den Köhlers Andres, den langen Andres, den Basti
gab Verschiedenes über die Verhltnisse derselben an und unter andern, daß sein Mit-Arrestant, Johann Wild, der Vater des Köhlers Andres und Schwiegervater des Basti sey.
Schon das Amt Babenhausen hatte, bei Durchsicht der zurückgelassenen Bündel, Kleidungstücke gefunden, welche mit den Herrn Rieder und Hanhart geraubten, deren Verzeichnis ihm bereits zugekommen war, volle Ähnlichkeit hatten. Das peinliche Gericht zu Darmstadt wiederholte die Vergleichung des Inhalts der Bündel mit dem ausgeschriebenen Verzeichniß der geraubten Sachen und überzeugte sich dadurch noch mehr davon, daß die Vorgefundenen wirklich von den Geraubten seyen. Der peinliche Richter, Herr Brill zu Darmstadt, nahm sich der Sache mit rühmlichem Eifer an und es gelang seiner Bemühung, den sogenannten Valentin Schmitt zuerst zum Bekenntnisse, daß dieser Nahme falsch seye, und er eigentlich Veit Krähmer heiße, dann aber auch zu dem weiteren allgemeinen Geständnisse zu bringen, daß er mit fünf andern die in den Bündeln und bei ihm selbst gefundenn Sachen (unter welch letztern sich auch ein silbernes Etui und ein Doppel-Louisd'or fand) auf der Bergstraße geraubt habe, und zwar zweien Kaufleuten, welche in einer Chaise gefahren seyen. Das peinliche Gericht zu Darmstadt bot die Auslieferung der Arrestanten, gegen Kostenersatz und gewöhnliche Reversalien an; sie wurde mit höherer Bewilligung angenommen und so erfolgte den 9ten May die Auslieferung der Gefangenen an das Stadtamt Heidelberg, als die geeignete Criminal-Behörde.
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Heidelberg, wurde Veit Krähmer, in Mitanwesenheit des Handelsmann Hanhart, welcher sich zur Beiwohnung bereit erklärt, und unter den Richtern seinen Platz genommen hatte, ins Verhör genommen. Er wiederholte da umständlich sein in Darmstadt begonnenes Bekenntniß und erkannte wiederholt die mit eingelieferten Effekten als geraubt. Auch Herr Hanhart erkannte sie, nach Krähmers Abführung, für einen Theil der ihm und dem verlebten Herrn Rieder geraubten Sachen und bestätigte dieses in der Folge eidlich. Den Veit Krähmer konnte er aber weder von Ansehen, noch der Stimme nach, als einen der Räuber erkennen. Das Stadtamt Heidelberg benutzte die Rührung, in welcher es Veit Krähmer fand, um von ihm eine genaue Angabe des Vorfalls selbst, vorzüglich aber sogleich die Benennung und genauste Beschreibung seiner Mitschuldigen zu erhalten und eilte sodann, diese durch reitende Boten dem Großherzoglich Badischen Neckarkreis-Directorio vorzulegen, welches sich mit dem regsamsten, rastlosesten Eifer der Sache annahm und allen benachbarten näheren und ferneren Regierungen die zu tausenden gedruckten Signalements der Räuber, auf dem schnellsten Wege mittheilte, auch für ihre eben so schnelle Bekanntwerdung im Badischen Lande sorgte.
Kurz nach der Beerdigung des Verblichenen, welcher zum Troste und zur Beruhigung seiner Anverwandten und Freunde, die in Heidelberg studirenden Schweizer, die meisten der daßigen Handelsleute und mehrere obrigkeitliche Personen und sonstige Honoratioren beiwohnten, traf der älteste Sohn des Ermordeten in Heidelberg ein. Sein Jammer war gränzenlos und unbeschreiblich, als er den Vater nicht mehr fand, zu dessen Pflege er in der Ueberzeugung nach Heidelberg geeilt war, es seye noch Hülfe für den Unersetzlichen möglich.
Während dem man in der Nähe von Weinheim und in den oberen Gegenden der Bergstraße den Raubmördern bei aller nur erdenklichen Mühe, vergebens nachspürte, hatte der Zufall einen derselben, - und gleich nach ihm, zwar keinen Theilhaber an diesem Raube, aber dennoch einen höchstberüchtigten Gauner, Mörder, Räuber und Dieb, in die obrigkeitliche Hände geliefert. Es wurden nämlich schon am 4ten May in dem Walde bei Sickenhofen, Großherzogliches Hessischen Amtes Babenhausen, verschiedene verdächtige Pursche mit Weibsleuten, von einigen Kindern, welche aus dem Walde heimkehrten, bemerkt, und durch mehrere Sickenhofer Einwohner, die der Schultheiß hiezu hatte aufbieten lassen, angegriffen.
Allein die Pursche hatten schon aus der Ziegelhütte bei Sickenhofen, die Ankunft der Bauern bemerkt und suchten denselben zu entfliehen; die Bauern aber griffen rasch an, schlugen tapfer zu und nöthigten dadurch die Pursche, ihre Bündel abzuwerfen und dann wiederholt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Sie entkamen bis auf einen, welcher gefangen und an das Amt Babenhausen, von da aber, nebst den Bündeln, an das Großherzogliche Hessische peinliche Gericht zu Darmstadt abgeliefert wurde. Am 5ten May wurde ein Vagant gleichfalls von Sickenhöfer Einwohnern eingefangen und nebst seiner Frau und einem 7jährigen Buben, ebenmäßig nach Darmstadt eingeliefert. Der erste gab vor, er heiße Valentin Schmitt und sey aus Berlin gebürtig, der andere nannte sich Johann Wild und behauptete, zu Brünn in Mähren geboren zus seyn.
Mein Räuberprojekt nimmt langsam Formen an. Für den Scheinriese habe ich kaum noch Zeit. Schade, ich gelobe Besserung....
Doch schien durch den ebengedachten letzten Erfund die Meinung, als hätten Bewohner der Bergsraße die That verübt, widerlegt, indem nun offen zu Tage lag, daß die Räuber ihren Rückweg in den hessischen Odenwald genommen hatten. Weder die Kaufleute geführt habende Postillion, noch der die Staffette zu besorgen gehabt habende junge Pursch von Weinheim konnten nähere Auffschlüsse über die Thäter ertheilen. Es blieb also dem Amte Weinheim nichts anders übrig, als den Vorfall und das Verzeichniß der den Kaufleuten geraubten Sachen, den benachbarten Aemtern, und durch die öffentlichen Blätter auch den entfernteren Behörden bekannt zu machen, und an seine vorgesetzte höhere Behörde Anzeigsbericht zu erstatten; - das Uebrige aber von der Zeit und der Gunst des Zufalls zu erwarten.
Inzwischen wurde der schwer verwundete Handelsmann Rieder in das katholische Parrhaus zu Hemsbach und von da, auf sein ausdrückliches Verlangen, nach deshalb eingeholter Weisung des Großherzoglichen Badischen Hofgerichts zu Mannheim, mit aller nur erdenklichen Vorsicht, nach Heidelberg gebracht und dort der Behandlung mehrerer geschickten und allgemein verehrten Aerzte übergeben. Es geschahe an ihm alles, was Wissenschaft und Kunst räthlich machten; - seine Freunde und Bekannte wetteiferten, Alles, was nur möglich war, zu seiner und Herrn Hanharts Erleichterung und Zerstreuung anzuwenden, - allein es war zu spät, - es war Alles - Alles vergebens. Der verwundete Rieder starb schon am 5ten May Morgens 11 Uhr und die vorgenommene Section und legale Inspection seines Leichnams erzeugte und begründete das ärztliche Gutachten,
"daß Die Verletzung des großen und kleinen Gehirns, welche sich an Herrn Rieder fanden, wesentliche Verletzungen waren, und daß es um so weniger in der Gewalt der Kunst lag, bei so vielen bedeutenden Wunden, die Entzündung des Gehirnorgans mit deren tödtlichen Folgen abzuhalten, als unaufhebliche Ursachen zum Grunde lagen; - daß sohin die körperlichen Verletzungen des Jacob Rieder von Winterthur, als schlechterdings tödtliche Verwundung (Vulneratio absolute lethalis) zu achten seyen."
(Das ist das Grab des Herrn Rieder in Heidelberg)Pursch: "Ob dieses Wort ursprünlich Deutsch, oder etwa das latainische Wort Persona also verkehrt sey, bringet einen auf den Gedanken, weil es ordentlich von Studenten auf Universitäten gebraucht und verstanden wird. Wiewohl es sich hernach nicht nur unter die Soldaten verbreitet, allwo der, so die Schildwache hält, seine Kameraden anschreyet und heraus ruft: Pursch, heraus! Pursch, ins Gewehr! Sondern auch das junge ledige Handwerksvolck, Handwerkspursche, wiewohl überhaupt nur, und insgeheim genennt zu werden pflegt, ein Meister aber seine Gesellen nicht leicht Pursche heissen wird. (...)" vgl. zedler - Pursch
Er habe in dem Augenblicke des Herausspringens einen Schlag auf den Kopf erhalten, welcher ihn besinnungslos niedergeschmettert habe, so daß er durchaus von dem, was weiter vorgefallen sey, nichts anzugeben wisse; denn, als er wieder zu sich selbst gekommen sey, habe er nichts weiter mehr gehört, als das Winseln seines Reisegefährten, der, so wie er selbst, nicht auf der Chaussee, sondern unterhalb derselben, gelegen seyen. Er habe diesen aufzurichten und fortzubringen gesucht und so seyen sie nach Hemsbach gekommen.
Herr Rieder stimmte mit dieser Angabe überein, fügte jedoch bei: auch er habe sogleich beym Herausspringen aus der Chaise einen Schlag auf den Kopf erhalten, der ihn zu Boden gestürzt habe; - er habe aber noch mehrere Schläge erhalten und obschon er den Räubern zugerufen habe: er wolle ihnen ja gerne Alles überlassen, was er besitze, so hätte doch die Mißhandlung so lange fortgewährt, bis er sein Bewußtseyn verlohren habe, - zu welchem er erst, durch die Bemühungen seines Reisegefährten, wieder gekommen seye.
11 Der Postillon wußte weiter nicht anzugeben, als daß sogleich oberhalb Laudenbach zwei Kerle seinen Pferden in die Zügel gefallen seyen, wärend ein anderer ihn durch Schläge vom Kutschbock heruntergebracht habe. Andere hätten Reisende gemißhandelt, beraubt, und seyen dan mit dem Geraubten entflohen. Er konnte so wenig als die Herren Rieder und Hanhart, die Räuber beschreiben.
Alle weiteren Bemühungen des Amtes Weinheim, den Räubern auf die Spur zu kommen, waren ebenfalls fruchtlos, - man fand zwar auf der Stelle der Chaussee, auf welcher, der Angabe nach, der Angriff und die Beraubung der Reisenden statt gefunden hatte, noch den erbrochenen Koffer, einige zerstreute Kleidungsstücke, und einen großen, starken, mit Blut befleckten Prügel; man überzeugte sich, das der Koffer die Spuren gewaltsamer Erbrechung an sich trage; - man fand auf dem von der Chausse über Oberlaudenbach in den Odenwald führenden Gebürgswege eine frische Feuerstätte und einen andern Prügel mit Blut befleckt, nebst einer Kopfbinde, gezeichnet J. R., und einem Strumpfe: - allein alle weitere Spur der Räuber war verschwunden.
Er wußte nicht, wo die Reisenden geblieben waren, ob sie noch lebten oder todt seyen.
Die Streitmannschaft setzte ihren Weg fort, - stieß aber nicht weit hinter der Chaise, auf die beiden gemißhandelten Reisenden, welche einander führend, langsamen Schrittes die Chaussee her, gegen Hemsbach zu, kamen. Sie wurden nach Hemsbach in das Wirtshaus gebracht, dort verbunden und dem Amte Weinheim, zu dessen Bezirk Hemsbach gehört, die Anzeige gemacht.
Das Amt Weinheim traf, nach seiner gewohnten Thätigkeit, sogleich alle angemessen scheinenden anstalten zur Verfolgung und Einfangung der Räuber, und eilte dann mit dem Physikate unverzüglich zu den Verwundeten.
Es fand sich, daß diese zwei von der Frankfurter Ostermesse zurückkehrende Schweizer Kaufleute:
Herr Jacob Rieder, aus Winterthur, 45 Jahre alt, verheurathet, Vater von sechs Kindern, und
Herr Rudolph Hanhart, aus Zürich, 32 Jahre alt, verheurathet,
waren.
Der erste, Herr Rieder, hatte zehn, meistens sehr bedeutende Kopfwunden, wovon die eine die Nasenbeine aus ihrer Verbindung unter sich und mit dem Kienbeine gebracht hatte, überdieß aber auch noch andere, minder bedeutende Verletzungen an sich. Der zweite, Herr Hanhart, war mit einer leichten Contustion an der rechten obern Stirngegend, davon gekommen. Der Postillion hatte nur leichte Verletzungen. Beide Reisenden konnten über die Art ihrer Mißhandlung und Beraubung nur sehr wenig, über die Thäter selbst aber gar nichts angeben. Er habe, so erzählte Herr Hanhart, mit seinem Gefährten in der Chaise geschlafen, als sie plötzlich durch ein starkes Gepolter an der Chaise, welche in demselben Augenblicke stillgestanden habe, aufgeschreckt worden, und in der ersten Bestürzung aus der Chaise gesprungen seyen.