Bei eingetretenem Frühjahr, und minderlangen Nächten, war es bereits so gediehen, daß man, wie das im menschlichen Leben so oft zu geschehen pflegt, die Vorfälle des Winters vergessen hatte und an wieder eingetretene volle Sicherheit glaubte, als die Polizei, durch den Vorfall, welcher den Stoff zu dieser Schrift gab, fürchterlich aufgeschreckt und die Einwohnerschaft der ganzen Gegend sowohl, als das ganze kommerzirende Publikum, neuerdings in die höchste Unsicherheit und in die größte Bangigkeit versetzt wurde. cowboy In der 5 Nacht vom letzten April auf den ersten May 1811, Morgens gegen 2 Uhr, machte ein junger Pursch 6 und 7, welcher eine Staffette von Weinheim nach Heppenheim hatte befördern sollen, dem Schultheißen zu Hemsbach (auf dem Wege von Weinheim nach Heppenheim) die Anzeige, er habe, als er von Hemsbach gegen das nahe Laudenbach zugekommen sey, eine männliche Stimme rufen hören: "Ach Gott! Ach Gott! - und Ach! Wehe!

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Er habe geglaubt, es hätten Reisende das Unglück gehabt, mit der Chaise 8 und 9 umgeworfen zu werden, und sey auf den Rufenden zugeeilt. Bald aber habe er ein neues Lametiren derselben Stimme und den Ausruf gehöret: "Ach! laßt mir nur mein Leben, ich will euch ja alles geben, was ich habe" während dem andere Stimmen gerufen hätten: "Gebe dein Geld her - oder ich schieße! - Schlagt ihn todt! - Vistire ihn aus!" u. d. gl. Zugleich habe er ein fürchterliches Gepolter fallender Schläge vernommen.

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Dieses habe ihn mit solcher Angst erfüllt, daß er seine Reise nicht habe fortsetzen können. Er sey also zurückgekehrt, um diese Anzeige zu machen. Der Schultheiß traf sogleich alle in solchen Fällen zweckmäßigen Anstalten; bis aber die zum Streifen aufgebotene Mannschaft nur vor den Ort Hemsbach gelangte, kam ihr schon ein Postillon mit leerer Chaise entgegen, welcher erzählte, das die Reisenden, welche er gefahren habe, von Räubern überfallen und so wie er selbst, gemißhandelt worden seien.

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Schon im Spätjahre 1810, noch mehr aber während des darauf gefolgten Winters, hatten sich auf dem oberen Theile der ihrer paradiesischen Lage wegen so hochgepriesenen und so vielbereisten Bergstraße mancherlei Spuren von Unsicherheit gezeigt, - welche endlich sogar in wirkliche Angriffe des Postwagens und verschiedener Reisenden übergegangen waren.

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Die Regierungen in den Großherzogthümern Hessen und Baden, hatten früher schon alles gethan, was zu Erhaltung der Sicherheit ihrer Landeseinwohner und einer so bedeutenden Kommerzialstraße nöthig ist; - und verdoppelten, durch vorgedachte Vorfälle veranlaßt, ihre Aufmerksamkeit, ihren Eifer und ihre geschärfteren polizeilichen Maaßregeln. Dessen ungeachtet spukten nach kurzer Ruhe, welche nur dazu diente, den Eifer der Streifer 12 zu vermindern, und die Wachsamkeit der verdoppelten Patrouillen einzuschläfern, auf der Bergstraße, von Zeit zu Zeit jene nächtlichen Unholde wieder, deren Schlupfwinkel man vergebens zu entdecken gesucht hatte. - Man mußte daher endlich, da man alle so mühsame Vorkehre vereitelt, alle Anstrengung der Regierungen und der Unterthanen verhöhnt sahe, auf die Idee kommen: es seyen keine fremde, nur momentan sich zeigende und dann wieder in entfernte Gegenden sich zurückziehende Räuberhorden, welche das Unheil verübten, sondern: eigene Landesunterthanen, Bewohner der nächsten Orte an der Bergstraße, seyen Urheber, und könnten es um so leichter seyn und bleiben, weil sie, von allen Vorkehrungen, Streifungen, Patrouillen u. d. gl. Wissenschaft erhielten, und hiernach ihre eigenen Maaßregeln zum Unentdecktbleiben, am leichtesten treffen könnten. Auch diese öffentliche Meinung blieb, von Seiten der Regierungen, nicht ohne polizeiliche Rücksicht. Hatten zwar die desfällfige besondere Verfügungen keinen besonderen Erfolg: so fielen doch wenigstens keine weiteren Angriffe vor, daher die Spuren der Unsicherheit der Bergstraße verschwanden, und man sich schmeichelte, das wahre Mittel gefunden zu haben.

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  1. Schon im Spätjahre 1810,...(S.2)
  2. Bei eingetretenem Frühjahr,...(S.2)
  3. Die Streitmannschaft setzte ihren Weg fort,...(S.3)
  4. einen großen, starken, mit Blut befleckten Prügel..(S.4)
  5. Allein es war zu spät (S.5)
  6. Verdächtige Pursche mit Weibsleuten (S. 6)
  7. Das peinliche Gericht (S.7)
  8. Er nannte wiederholt und beharrlich seine Mitschuldigen (S.8)
  9. Anlehnungs- und Verbindungspunkte in der Inquistition (S.9)
  10. Lange kämpfte noch die Mutter (S.10)
  11. Gänzlichen Verdorbenheit dieser Menschenklasse (S. 11)
  12. Verworfene Geschöpfe S. 12
  13. Betheuerungen und heiligste Schwüre (S.13)
  14. Die Hölzerlipsin läugnete und alle Visitationen waren fruchtlos. (S. 14)
  15. Die Anweisung zum Bösen (S. 15)




Zweifach ist die Absicht, welche mich zur Herausgabe dieser Schrift bestimmte; doppelt der Zweck, welcher durch sie erreicht werden soll. Sie soll nämlich von der einen Seite die gespannte, nicht tadelnswerthe Neugierde derjenigen befriedgen, welche die Einfangung so mancher Räuber und Gauner in hiesiger Gegend 1 theils selbst mit ansahen, theils davon hörten, welche die Veranlassung dieser Einfangungen zwar Allgemein kennen, sie aber doch auch gerne in ihren Details kennen und von ihren Folgen unterrichtet seyn möchten; sie soll aber, von der andern Seite, auch zugleich dazu dienen: das Publikum von der Verfahrensweise dieser Räuber zu unterrichten, die noch freien Glieder der Bande kenntlich zu machen, dadurch die Beifangung zu erleichtern und so die öffentliche Sicherheit zu vermehren.

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Der Stoff dieser Schrift ist zwar bei weitem nicht so vielseitig und darum auch nicht so interessant, wie jener der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden an den Ufern des Rheins, dahingegen hatten die Räuber am Main zu Verübung ihrer Vergehen auch keine so geräumige, keine so günstige Periode wie die Räuber am Rhein; und doch übertrifft ihre Bande, sowohl an Menge der entdeckten Mitglieder, als der einbekannten Verbrechen, jene des Schinderhannes2 bei weitem; (ohne die Weiber und Diebshehler in Anschlag zu bringen, welche in dem Verzeichniß der Mitglieder der Mainbande gar nicht aufgenommen wurden) obschon auf die hießige Untersuchung nur 5 Monate, auf jene gegen Schinderhannes3 aber, nur vom Tage seiner Arretirung bis zur Eröffnung der öffentlichen Audienz gerrechnet, 17 Monate verwendet wurden; vielleicht aber kann an Nützlichkeit diese gegenwärtige Schrift jener einigermaßen gleich kommen; und dann ist meine Absicht erreicht. Ohne die aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Rheinufern wären gar manche nun durch sie entdeckte Glieder derselben, welche bisher fortgeraubt hatten, unentdeckt geblieben, und hätten noch manche Banden begründet, noch manchen Jammer gestiftet. Das man einst ein Gleiches von dieser Schrift sagen möge, ist mein eifrigster heisester Wunsch. Nur um seine Erfüllung zu erleichtern, habe ich ihr die praktische Form gegeben, welche man darin finden wird.

Um den angegebenen doppelten Zweck, besonders aber den zuletzt gedachten, früher zu erreichen, erscheint die Schrift schon jetzt, da der zu Einfangung der 1 Gauner günstigere Winter herannaht. Sollten sich in der Folge noch weitere interessante Enteckungen ergeben, so werde ich sie Vielleicht, nebst dem erfolgenden Urtheile, wenn es das Publikum wünscht, in einem Nachtrage liefern.

Heidelberg im Oktober 1811. L. Pfister

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Ich werde nach und nach die "Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufer des Mains, im Spessart und im Odenwalde." hier veröffentlichen. Es wird etwas länger dauern, den meine OCR-Software weigert sich schnöde diesen Text zu scannen. Außerdem möchte ich auch noch ein paar Fotos oder Grafiken reinsetzten um die Geschichte anschaulicher zu machen. Das dauert halt seine Zeit. Los gehts....

  • Aktenmäßige Geschichte der

    Räuberbanden

    an den beiden Ufer des Mains, im Spessart und im Odenwalde.

    Enthaltend

    vorzüglich auch die Geschichte der Beraubung und Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf der Bergstraße.

    Nebst einer Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache

    Vom

    Stadtdirector Pfister

    zu Heidelberg

    Nec severitas, nec clementiae gloria affectanda est. L. 11.ff. de poenis.

    Heidelberg, bei Gottlieb Braun. 1812

vgl. Blutgericht über den Hölzerlips


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